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Kürzlich machte ich bei einem Elektronikgerätehändler eine Bestellung. Ich wusste aufgrund der Bestätigungsmail, wann das Päckchen bei mir eintreffen sollte. Als sich der Pöstler an dem Tag zur üblichen Zeit, als ich es erwartete, nicht meldete, klickte ich nochmals in die Versandinformationen der Post. Da stand in der letzten Zeile: „ausgeliefert in Ablagefach“. Auch die genaue Zeit stand da. So machte ich mich denn auf, um im „Milchchäschtli“ nachzusehen. Die Sendung war da – und ich lernte: ich muss nicht mehr im Briefkasten nachsehen, ob etwas da ist. Einige Klicks am Bildschirm verhindern, dass ich mich unnötig in Bewegung setze.

Eine andere Erfahrung: an einer Sitzung erzählte ein Teilnehmer und iPhone-Benützer, er hätte Zugriff zu den Trackingdaten die Apple dauernd aufzeichnet, und könne auf Wochen zurück auf einer Landkarte nachsehen, in welchem Moment er wo genau war. Das hätte ihn schon sehr erschreckt.

Während uns Tracking, die Nachverfolgbarkeit von Wegen, im persönlichen Bereich seltsam bis befremdlich vorkommt, scheint es im Qualitätssicherungsbereich das Ideal schlechthin zu sein. Offenbar genügt es nicht, wenn die zertifizierende Kontrollstelle stichprobenweise und gelegentlich den Weg zum vorgelagerten Lieferanten nachvollzieht und von dort wieder eine Stufe zurück usw. Nein, die Warenflüsse müssen permanent nachvollziehbar sein.

„'Eine lückenlose, transparente Abbildung der Produktkette sollte bei Lebensmitteln, insbesondere bei Bioprodukten selbstverständlich sein', so Franz Rauch, Geschäftsführer und Gründungsmitglied des Software- und Beratungsexperten Intact Consult GmbH. 'Um in derartigen Fällen unverzüglich reagieren zu können, ist eine stufenübergreifende Rückverfolgbarkeit enorm wichtig. Nur so ist es möglich alle Empfänger sofort und eindeutig zu informieren, um das betroffene Produkt aus dem Verkehr zu ziehen und die Gesundheitsgefährdung für Konsumenten auszuschalten.'“ Selbstverständlich weiss Herr Rauch von (s)einer Softwarelösung zu berichten, welche es ermöglicht, „auf einen Klick herauszufinden, wo das Produkt herkommt und wohin es geliefert wurde.“

Software und Klicks allein bilden natürlich noch keine Lieferketten ab. Voraussetzung ist eine Hardware- und Informatikaustattung entlang der ganzen Lieferkette und ein permanentes Scanning der Warenflüsse.

Ich versuche mir vorzustellen, ob Tracking geholfen hätte, einem Biobäcker in unserer Gegend frühzeitig das Handwerk zu legen. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass er es beim Einkauf einiger Zutaten öfter nicht ganz so genau genommen hatte. Vielleicht hatte er sich ab und zu beim Bestellen verschätzt, zu wenig Eier und Milch eingekauft und im örtlichen Laden (konventionell) die Lücken gefüllt. Ich vermute, dass das System da nicht gegriffen hätte, aus Mangel an „Systemkompatibilität“ dieses Bäckers. Und wie steht es mit Marktfahrern, mit Hofläden, die zukaufen, mit Bioläden, die per Fax und noch längst nicht elektronisch bestellen? Denn auch sie sind kaum in der Lage, inkriminierte Produkte „aus dem Verkehr zu ziehen und die Gesundheitsgefährdung für Konsumenten auszuschalten“ - verantwortungslos, eigentlich. Sollte man dafür sorgen, dass es gar keine Kleinbetriebe mehr gibt, die nicht in der Lage sind, unverzüglich die stufenübergreifende Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten?

Beim Bäcker hat es allerdings anders funktioniert: seine Kunden, Bioläden, waren aufmerksam. Ein „gesundes“ Misstrauen führte zu Nachfragen. Unbefriedigende Antworten führten zu einer Information an die Kontrollstelle. Die Kontrolle führte zur Aberkennung des Zertifikats.

Viel früher hatte ich selber mit der Beurteilung von Milchqualität Erfahrungen gemacht. Ich hatte bei verschiedenen Bauern Biomlich abzuholen. Eines Tages kam ich mit dem kontrollierenden Mikrobiologen ins Gespräch. Er fragte mich nach meinem Urteil. Ich schilderte, was ich beobachtet hatte: von den Mistspritzern auf den Michkannen beim einen, von der Zigarettenasche beim zweiten, die ständig in die Milch zu fallen drohte, von der fast pingeligen Ordnung beim dritten Bauern. Meine Wahrnehmungen stimmten in hohem Mass mit den mikrobiologischen Befunden überein.

Natürlich kann man aus dem Bäcker- und aus dem Milchbeispiel nicht folgern, dass Misstrauen Warenflusskontrollen ersetzen kann oder dass Wahrnehmungen vor Ort mikrobiologische Untersuchungen überflüssig machen könnten.

Ebenso falsch wäre aber auch die Auffassung, dass jedes Qualitätsproblem mit neuen Sicherheitsvorschriften und elektronischer Aufrüstung zu beantworten ist. Bei jeder Analyse von Problemfällen stösst man auf eine Vielzahl Reaktionen im Sinne von: „Es erstaunt mich überhaupt nicht“, „Ich habe so etwas eigentlich erwartet.“ Kein Betrieb arbeitet im luftleeren Raum. Kein Unternehmen ist der Wahrnehmung intern und extern völlig entzogen. Die Frage ist nur: welche sozialen Prozesse könnten dazu führen, dass Urteile ausgetauscht und ausgesprochen werden? Die immer globaleren und anonymeren Austauschverhältnisse be- oder verhindern diese Art von Urteilsbildung. Sicher wären aber Lösungen auf dieser Ebene – mindestens flankierend - effizienter und kostengünstiger als neue Regeln aus Bern und Brüssel oder Investitionen in elektronische Aufrüstung.

Matthias Wiesmann

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